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Heute geht es um das Bild, welches unsere Vorfahren uns von Sexualität vermittelt haben. Ob sie es so wollten, konnten oder nicht. Ich wuchs mit dem Bild auf, dass Männer immer genau wissen, was sie tun müssen um eine Frau zu stimulieren. Männer seien nur dann "richtige Männer" wenn die Frau vor Lust schreit. Möglichst laut und möglichst lange .... Sah man jemanden länger an oder berührte man jemanden etwas länger als zufällig, hiess es "was willst du von mir?" Bei Frauen/Mädchen wurde sofort unterstellt, Sex zu wollen, bei Männern/Burschen wurde unterstellt, schwul zu sein. Berührung gab es eigentlich nur beim Sex. Und da war es natürlich klar, dass man sofort auf den Punkt kam. "Den Punkt" kannten alle, auch wenn keiner wirklich wußte wo er war. Also rubbelten wir irgendwo zwischen den Beinen der Mädchen herum und versuchten herauszufinden, ob sie dabei feucht wurde ... und die Mädchen liessen das über sich ergehen, da sie ja ihrerseits gelernt hatten, dass der Mann schon genau wisse was er tut. Aber tatsächlich hatten sie wenig Freude mit dem Geschehen und keine Ahnung, wie man dem Mann erklären könnte, was ihr gut tat und was nicht, ohne dass er beleidigt und gekränkt abzog. Also waren es zwei, die keine Ahnung hatten. Ich sah weder meiner Eltern noch meine Großeltern jemals Zärtlichkeiten austauschen. Die wollte ich auch nicht fragen, wie "es" geht. Aufklärung erfolgte durch Bravo, Dr Sommer und diverse andere Zeitschriften. Dass meine Freunde mindestens so wenig Bescheid wussten wie ich, war mir schnell klar, da die "Tips" nicht wirklich hilfreich waren. Und "Learning by Doing" war extrem selten möglich, dafür aber tatsächlich hilfreich. Besonders, wenn die Frau den Mut hatte, zu sagen, was für sie angenehm war. Genau gesagt kann ich mich da an ein einziges Erlebnis meiner Kindheit erinnern...... Heute weiß ich, dass nicht nur ich, sondern viele Männer so aufgewachsen sind und dieses - völlig verkorkste - Bild von Sexualität erhielten. Ein Mann erzählte in einer sexological Bodywork Sitzung, wie viel Scham es in ihm ausgelöst hatte, als der Vater ihn beim lustvollen erforschen und entdecken seines Anus erwischte und ihm lautstark verbot, dies jemals wieder zu tun. Es dauerte mehr als 20 Jahre bis er einen neuerlichen Schritt wagte. Eine Frau erzählte, dass sie beim Verkehr keine Lust mehr spürt, sondern wenn überhaupt dann Schmerz. Der Mann würde nicht auf sie hören, wenn sie versuchte ihm dies mitzuteilen. Sie wisse nicht mehr weiter, da sie bereits mehrere Männer dieser Art erlebt hatte und sie war nahe dran, Sexualität völlig aus ihrem Leben zu verbannen. In Männergruppen fanden wir heraus, dass wir mit diesem Mangel an Erfahrung nicht alleine sind. Allerdings ist es ein schwacher Trost, zu wissen, dass man nicht alleine auf dem Holzpfad ist .... Und es hilft auch nicht, zu hören, dass viele Frauen es auch nicht wirklich wissen. Ich beschäftige mich mit diesem Thema sehr intensiv. Es ist schockierend, wie viele Männer auch heute noch glauben, genau zu wissen, wie sie "bei einer Frau landen" können, ohne tatsächlich Ahnung davon zu haben, welch riesiges Feld die Sexualität ist. Hier bedarf es nach wie vor sehr viel Aufklärung, denn viele Männer denken nach wie vor nur an das "Rein-Raus" Spiel, wenn sie intim werden wollen. Beratung ist hier eine Möglichkeit. Learning by Doing die beste und wirksamste Möglichkeit, so wie es bei Sexological Bodywork erfolgt. Wie waren ihre/deine Erfahrungen mit dem Thema?
2 Kommentare
Generation Y
27/12/2020 09:18:34
Du beschreibst wirklich tragische Situationen. Ich glaube, ich habe Glück, zur Generation Y zu gehören. Wir waren in unseren Teenagerjahren verhältnismäßig gut aufgeklärt von verschiedenen Stellen, von der Schule, von den Jugendzeitschriften, von den Foren und Chats im Internet. Die Internetpornos waren noch nicht so allgegenwärtig, dass sie uns in der prägenden Lebensphase ein falsches oder einseitiges Bild von Sexualität vermittelten. Unter Freundinnen war und ist Sex ein Thema, über das wir uns offen austauschen konnten und können.
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Clemens Stiedl
27/12/2020 21:55:45
Lieber Werner, ich bin 73 Jahre und wusste von meinem Vati, dass einer Freundin es guttut stimuliert zu werden. Die Freundin wurde meine - leider jung verstorbene - Frau.
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Ing. Werner Flasch, BA
Jahrgang 1966, in der Beratung tätig seit 2000. Archiv
März 2021
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