Willkommen zum 2. Teil des Blogbeitrags zum Thema Grenzen - Grenzenlos!
Heute wenden wir uns den Menschen zu, die uns aus der Komfortzone bringen. Entwicklung ist nur möglich, wenn wir unsere Grenzen immer wieder überschreiten. Sachte, achtsam. Den Rahmen in dem dies erfolgt, können wir (meistens) mitbestimmen. Und je mehr die Situation mit uns persönlich zu tun hat, umso mehr sollten wir dem Augenmerk geben. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Gruppe entscheidet, dass wir uns gemeinsam in die Lernzone begeben, oder ob die Entscheidung in der Gruppe darüber fällt, dass ICH als EinzigeR mich in die Lernzone begeben soll. JedeR kennt sicher das Phänomen des Gruppenzwangs. Wenn alle JA sagen, kann ich nicht NEIN sagen! Was denken die anderen? Ich will kein Spielverderber sein! Alle müssen wegen mir auf .... verzichten, nur weil ich NEIN sage. Zugegeben es ist verdammt schwer, als einzigeR in einer Gruppe eine andere Meinung offen zu vertreten. Selbst wenn es ein Thema betrifft, bei dem wir uns nicht unbedingt aus der Komfortzone raus bewegen, stellt das (abweichende) Verhalten in der Gruppe eine Herausforderung dar und wir begeben uns automatisch in die Lernzone. Ich rede hier nicht von Menschen, die prinzipiell gegen die herrschende Meinung einer Gruppe sind, sondern die tatsächlich authentisch bleiben und zu sich stehen wollen. Dazu gehört Reflexionsvermögen und eine Portion Mut. Man könnte vielleicht annehmen, das Menschen, die im Rampenlicht stehen, so etwas eher gewohnt sind. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese nicht immer ihre Gefühle wahrnehmen, sondern eher verdrängen. Langfristig führt das zu Abstumpfung, aber nicht zur persönlichen Weiterentwicklung. Sei daher achtsam, mit welchen Menschen du dich umgibst und wie diese mit deinem abweichenden Verhalten umgehen. Hat es Platz in der Gruppe? Hast DU Platz? Oft sind es Ängste, die ausgesprochen werden müssen. Vieles darf sich dann lösen. Gehört zu werden und sich ernst genommen zu fühlen, kann viele Ängste nehmen. Und im Optimalfall trägt die Gruppe dich da durch. In meinen Kontaktimprovisation-Workshops und besonders in Sexological Bodywork verwende ich viel Zeit darauf, die Aufmerksamkeit zu schulen und die Wahrnehmung zu verlangsamen, um wirklich bewusst zu spüren, wann wir beginnen unseren Grenzen nahe zu kommen. Körperarbeit eignet sich dazu hervorragend, denn es bringt dich in den Moment. Und ich ermuntere die TeilnehmerInnen immer wieder, ihre Meinung kundzutun, unabhängig davon, was andere davon halten mögen. Besonders in der Begegnung von 2 Menschen wird deutlich, wie wenig authentisch wir uns manchmal verhalten: So war es mir immer wieder eine Freude zu beobachten, was passiert, wenn 2 Menschen miteinander tanzen, die Musik aber immer weiter geht (in der Kontaktimprovisation sehr häufig). Wann würde jemand aufhören zu tanzen? Unter welchen Umständen? Mit welchen Begründungen stieg jemand aus dem Tanz aus? Gab es überhaupt ein Aussteigen aus dem Tanz oder eine Begründung dafür? Wie reagierte der/die PartnerIn über den Ausstieg der anderen Person aus dem Tanz? Wie ging die ausgestiegene Person mit der Reaktion der anderen Person um? Ja, wir wurden erzogen, Kompromisse einzugehen. Ja, man muss/soll rücksichtsvoll sein (gerade zu Coronazeiten!!). Aber ernsthaft: Muss ich wirklich ALLES mitmachen? Muss ich stundenlang mit dir tanzen, obwohl es mich nicht mehr interessiert? In der Kontaktimprovisation gibt es den von Nancy Stark Smith geprägten Begriff des "grasing": Kühe auf der Weide grasen an einem Ort, bis sie satt sind und gehen dann. Sie entschuldigen sich nicht beim Gras, dass sie jetzt Durst haben oder einen wichtigen Termin. Sie erklären dem Gras auch nicht, wieso sie jetzt lieber woanders weiter grasen ..... Sie tun es. Zahlreiche Frauen teilten mir in ihren Sitzungen mit, dass sie es nicht schafften aus einer Begegnung mit einem Mann auszusteigen. Dabei nahmen sie unter anderem wahr, dass
Also blieben sie. Wo ist meine Grenze? Gerade in der Partnerschaft war eine der größten Herausforderungen für mich, herauszufinden, WANN ES REICHT! Ich begann irgendwann, mir folgende Fragen zu stellen, wenn ich merkte, dass es etwas gab, das mich beunruhigte - mich aus der Komfortzone brachte:
Eine große Hilfe bei Beantwortung dieser Fragen gibt der Körper. Ich fand heraus, dass der Körper in der jeweiligen Situation sofort reagiert (vorausgesetzt du bist körperlich gesund). Wir sind aber hervorragend trainiert und schaffen es, diese Signale in Sekundenbruchteilen zu übergehen. Daher ist es nicht immer gleich erkennbar, dass wir die Komfortzone fast sprunghaft verlassen haben. Sich die Zeit zu nehmen, auf diese Signale zu achten, das leichte Zucken, das unangenehmen Gefühl im Bauch, die schmerzenden Schultern, .... kann klar machen, dass wir uns nicht in der Lernzone sondern bereits in der Angstzone befinden. Und damit bereits jenseits unserer gesunden Grenzen. Oft haben wir den Eindruck, als müssten wir uns für oder gegen jemand anderen entscheiden. Die Frage ist aber: Entscheide ich mich für oder gegen MICH SELBST? Frage dich doch mal: Mit wem verbringe ich die meiste Zeit meines Lebens? Ja, Mami oder Papi mögen sauer sein. FreundInnen mögen sich abwenden. Das ist schlimm. Abgesehen davon verstehen echte FreundInnen es, wenn du mal nicht so tickst, wie sie es erwarten. Aber wie geht es dir, zu erkennen, dass du dich von dir selbst abgewendet hast, weil du nicht auf deine Grenzen geachtet hast? Manchmal frage ich mich während eines Streitgespräches zig Mal: will ich jetzt noch hier bleiben? Und wenn die Antwort "Nein" ist, teile ich das angemessen mit und verlasse die Situation. Egal, was die andere Person davon hält. Ich wünsche euch, das ihr gut auf eure Grenzen achten und sie angemessen setzen könnt! Werner
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Ing. Werner Flasch, BA
Jahrgang 1966, in der Beratung tätig seit 2000. Archiv
März 2021
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