Willkommen zum heutigen Blog-Beitrag!
Um sich klarer zu werden, wie sich Liebe, Intimität und Sexualität heute darstellen, ist es sinnvoll auch mal einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Heutige Beziehungskonzepte und Rollenbilder haben sich ja nicht über Nacht gebildet, sondern es war (und ist zum Teil noch immer) ein langwieriger Kampf um Anerkennung und gegen Diskriminierung, wie man am Beispiel der Schwulenbewegung unschwer feststellen kann. Im Rahmen meiner Bachelorarbeit zum Thema "Herausforderungen an die professionelle Beziehungsberatung" habe ich einzelne Aspekte beleuchtet. Den ausführlichen Text kann man gerne in meiner Arbeit nachlesen, zu finden unter https://www.wernerflasch.com/coaching-in-bewegung.html Den gekürzten/überarbeiteten Text gibts unterhalb der ******* Zeile. Obwohl es also zahlreiche zum Teil sehr massive Veränderungen gegeben hat, die auch großteils positiv gesehen werden können, ist immer noch viel zu tun. Vor allem sorgten die zahlreichen Veränderungen an verschiedenen Fronten nicht unbedingt für Klarheit, sondern oft für Verwirrung unter den Geschlechtern, besonders den Mann. Das Rollenbild des Mannes ist kein starres Bild mehr, sondern ständiger Veränderung und Anpassung unterworfen. Und es sieht nicht so aus, als wäre dies durch Corona jetzt mal im downlock. Es sind zunehmend Männer gefragt, die auf der einen Seite sehr wohl kraftvoll zupacken, eine klare Richtung vorgeben können und auf der anderen Seite verletzlich, berührbar und offen sind. Diese Offenheit gegenüber Frauen zu zeigen, fällt uns leichter (besonders dann, wenn wir damit "besser" ankommen), als gegenüber unseresgleichen, den wir oft als Konkurrenten wahrnehmen. Ein neuer Typ Mann kam zu den Machos Softies usw dazu ... der "Frauenversteher". Dabei versteht er oft nicht mal sich selbst. Die erfolgten Veränderungen vergangener Jahre mögen einen Dialog zwischen Mann und Frau gestartet haben. Es hat sich sehr viel in sehr kurzer Zeit verändert. Einzelne Generationen hatten kaum Zeit, die Veränderungen richtig zu verinnerlichen. DAS wäre aber mal ein guter Ansatz: Verinnerlichen, anstatt im Aussen schon wieder weiter zu hecheln. Frauen sind heute nicht mehr abhängig von ihren Ehemännern und sind in der Findung ihrer neuen Rolle den Männern voraus, die immer noch fassungslos zwischen dem alten "sicheren" (weil bekannt und bewährt!??) Konzept und dem neuen "unsicheren" (weil unbekannt?) Konzept hin- und her wanken. Wohl auch, weil sie im alten Konzept mehr Macht und Kontrolle hatten. Und dieser drohende Machtverlust dürfte auch ein Grund sein, wieso ich in der Beratung fallweise Männer erlebe, die verzweifelt versuchen, ihren Partnerinnen das alte Konzept nach wie vor aufzuzwingen. Und es dürfte ein Grund sein, wieso viele dieser Partnerinnen sich massiv gegen ihre, ebendiese Männer zur Wehr setzen. Ausnahmslos ALLE Männer, die dies in ihren Beratungen thematisiert haben, schildern, dass sie zwar mit ihrer Partnerin über alles reden könnten, dies aber oft nicht tun, weil sie immer noch das Bild in sich tragen, sie müssten doch eigentlich über alles Bescheid wissen: "Ich bin der Mann und ich weiß, wo es lang geht". Egal auf welchem Feld ... Glücklicherweise bekomme ich auch Rückmeldungen, dass dort, wo man(n) diesen Schritt wagt, die Frau mit wesentlich mehr Verständnis reagiert, als erwartet. Dazu hat die Psychotherapie sicherlich einiges beigetragen und auch Männergruppen leisten viel Veränderungsarbeit, doch reden alleine bringt langfristig nicht weiter. Es ist Zeit, sich endlich offen und schonungslos ehrlich zu begegnen, wie es Barry Long in seinen Büchern "sexuelle Liebe auf göttliche Weise" und "Deine Liebe leben" schreibt. Und das ist ganz schön schwer, wie mir meine eigenen Erfahrungen und auch die vieler anderer Männer zeigen. Was mir leider auch in diversen Workshops begegnet ist, ist der Typ Mann, der so von sich überzeugt ist, dass er völlig resistent gegenüber Beratung oder Kritik ist. Selbst wenn sie im Rahmen des Workshops von Betroffenen kommt .... die sind dann halt nicht kompetent genug ... Natürlich kann die Findung der neuen Männer-Rolle nicht ohne Frauen-Beteiligung erfolgen! Wieso sollten sich lediglich Männer darüber unterhalten, was ihre Frauen brauchen? Deswegen arbeite ich auch mit Paaren. Ist sinnvoller. Ist kein Ratespiel. Bringt rasch sichtbare Ergebnisse! Danke für Rückmeldungen! Werner PS: Ich bekam Rückmeldungen mit dem Wunsch nach podcasts. Sollte ich mehrere weitere Wünsche in diese Richtung bekommen, ziehe ich es in Erwägung, euch zusätzlich mit meiner Stimme zu erfreuen ;-) ****************************************************************** gekürzter und überarbeiteter AUSZUG aus der Bachelorarbeit: Veränderungen partnerschaftlicher Beziehungen in deutschsprachigen Ländern: als größte Veränderung in der Gesellschaft wird die Entstehung der Landwirtschaft angeführt, die Auswirkungen auf Gesellschafts- und Familienstrukturen, Religion, Art und Wahrscheinlichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen, die Lebensspanne und auch die Sexualität hatte. Zum Beispiel: Rechtliche Veränderungen Soziale Beziehungsformen, die sich im Lauf der Geschichte bildeten, waren oft erst dann in der Gesellschaft anerkannt und hatten rechtlichen Anspruch, wenn sie gesetzlich festgehalten wurden, wie zum Beispiel das Ehegesetz, das mittlerweile 130 Paragraphen umfasst. Die Sexuelle Revolution in den 70er-Jahren, schaffte es, dass • der voreheliche Geschlechtsverkehr eher akzeptiert wurde. • offene Ehen und Gruppensex thematisiert wurden. • die Scheidungsrechte angepasst wurden. • nicht verheiratete Paare leichter eine Wohnung bekommen konnten. • Sex auch privat zu einem Thema wurde, über das gesprochen wurde. Veränderungen in der Lebenserwartung, Lebensstruktur Die steigende Gesundheit der Bevölkerung hat Einfluss auf Veränderungen in der Gesellschaft. Verantwortlich dafür zeichnen unter anderem Fortschritte in Medizin, Hygiene, Nahrungsmittelversorgung und der allgemeinen politischen und industriellen Entwicklung, die dazu beitrugen Katstrophen, wie Kriege zu verhindern und einen gesünderen Lebensstil zu fördern. Die Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften sei zurückzuführen auf: • die Liberalisierung der Sexualmoral, • eine vereinfachte Empfängnisverhütung, • die gewachsene öffentliche Akzeptanz alternativer Lebensformen, • längere Ausbildungszeiten, • nachlassende Verbindlichkeit religiöser Bindungen. Veränderungen der Rollenbilder Die sexuelle Orientierung hat ebenso Veränderungen erfahren, die besonders bei nicht-heterosexuell orientierten Menschen wie Schwulen, Lesben und Bisexuellen in einer heterosexuell geprägten Gesellschaft zu Ausgrenzung führt. Veränderungen im Leben von Sexualität, sexueller Orientierung Die Ehepartner wurden zunehmend frei gewählt und im 19. Jahrhundert gipfelte dies in der Liebesehe, wo die sexuelle Leidenschaft Mann und Frau in der ehelichen Bindung zu einer Einheit verschmelzen lässt. Doch es gab damals auch bereits erste Gegenentwürfe und Kritik an der bürgerlichen Ehe. Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff der freien Liebe populär gemacht. Während der Zeit der sexuellen Revolution in den 70ern bildeten sich diverse Kommunen, wo bereits mit verschiedenen Beziehungsformen und auch sexuell experimentiert wurde, wie zum Beispiel die Otto-Mühl-Kommune in Österreich oder Sandstone in den USA. Ähnlich frei in der Sexualität waren die ersten offiziellen Swinger der Welt. Dies waren amerikanische Kampfpiloten, die in eigens gegründeten Clubs eine Art Stammes-Bindungsritual vollzogen, in dem die Übereinkunft getroffen wurde, dass die überlebenden Piloten sich um die Familien der Gefallenen kümmern wurden. Dies erfolgte unter anderem auch durch Partnertausch. Bis 1953 hatte sich diese Clubs bereits in Wohnviertel ausgedehnt. Veränderungen der gesellschaftlichen Moralvorstellungen, Werte und Normen Eine Aufzählung, was von vorhergehenden Generationen übernommen wurde und die Gesellschaft bis heute beeinflusst: Filme, Romane und auch wissenschaftliche Ratgeber, die sichere, langandauernde und harmonische Paarbeziehungen zwischen Mann und Frau versprechen. Emotionale Sicherheit, die als Nest beginnt, wird zum Käfig, der Wunsch nach inniger Verschmelzung, ja Auflösung im anderen weicht mit der Zeit der Klarheit, dass es definitiv zwei verschiedene Wesen sind, die dies auch durchaus entsprechend dramatisch inszenieren. Es benötige die Klarheit, dass Treue nichts damit zu tun habe, mit wem man schläft, sondern dass Treue Hingabe, Respekt und Verantwortlichkeit bedeutet und man sich um das eigene Wohlergehen genau so sorgt, wie um das von FreundInnen und PartnerInnen. Filme wie der am 2. September 2018 in ServusTV gezeigte „Mythos Monogamie“ (Servus TV, 2018), tragen ebenfalls dazu bei, Moralvorstellungen, Werte und Normen zu hinterfragen und sich für neue Beziehungskonzepte zu öffnen. Herrmann (2010, p. 115f) fasst wesentliche Punkte zusammen, die unter anderem auch zu neuen Entwürfen von Partnerschaften und Lebensformen führten: • Die Abkehr von den Ansprüchen traditioneller Glaubens- und Weltanschauungssysteme. • Die Abkehr vom überkommenen Prinzip der exklusiven Paarbindungen und Monogamie. • Die Entkopplung von Ehe und Sexualität. Dies ist ebenfalls in Österreich merkbar, wo seit 1960 die Scheidungsrate von 13,9% auf 46,38% im Jahr 2005 anstieg und seither unter leichten Schwankungen auf ungefähr 41% stehen bleibt. Die Zahl der Singlehaushalte ist zwischen 1985 und 2017 kontinuierlich beinahe um das Doppelte auf 1,4 Millionen angestiegen. Scheidung ist kein Stigma mehr und Kinder sind ebenfalls kein zwingender Grund mehr, eine Beziehung aufrecht zu erhalten. Bei einer statistischen Lebenserwartung von weiteren 20 Jahren im Alter von 65 ist die Frage berechtigt, wie man sein weiteres Leben gestalten will.
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Ing. Werner Flasch, BA
Jahrgang 1966, in der Beratung tätig seit 2000. Archiv
März 2021
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