Willkommen zum Blog Beitrag der ersten Jännerwoche!
Heute widme ich mich dem Thema Normalität. Was ist normal in der Liebe, Intimität, Sexualität? Die Antwort auf diese Frage ist einerseits sehr einfach zu beantworten und andererseits kann die Antwort sehr komplex ausfallen. Die einfache Antwort lautet: Normalität ist, was DU daraus machst! DU entscheidest, was für dich normal ist. Mit welchem und wie vielen PartnerInnen du lebst, wo du lebst, wie du lebst, wie du deine Sexualität gestaltest! Wann du mit wem intim wirst. Egal was die anderen denken, sagen, tun. DU legst deine Normalität fest. Wichtig ist, dass es für dich und die Liebsten in deinem Umfeld paßt. Ein Mann erzählte mir im Rahmen eines Interviews zu Polyamore: Mittlerweile ist es völlig normal, wenn ich zum Feuerwehrfest mit meiner Frau UND meiner Freundin gemeinsam komme. Wenn du ausdauernd lange genug dabei bleibst, wird die Welt es irgendwann als Normalität anerkennen. Oder du machst genug Werbung dafür. Geht auch, ist aber teurer. Die komplexe Antwort berücksichtigt mehrere Aspekte. Normalität wird definiert durch das Individuum selbst: Wenn ich mich zurück erinnere an meine Söhne, die ich manches mal beobachtete, wie sie einfach vor sich hin spielten, völlig bei sich waren und einfach taten, was sie taten, ohne zu hinterfragen oder sich um andere zu kümmern, so verhielten sich diese Kinder normal (aus ihrer Sicht betrachtet). Natürlich gab es Momente wo ich einschreiten musste, wenn sie "nicht normal" agierten, zB den im Sand vergrabenen Katzenkot genüsslich zwischen den Fingern zu zerdrücken ..... Aus Sicht der Kinder war das normal. Es gab keine Scham, kein Schuldbewusstsein. Das, was wir von klein auf lernen (auf welche Art auch immer) ist für uns normal. Es wird nicht hinterfragt und schon gar nicht, wenn ein ganzes System es "so" macht. Ich wuchs mit Gewalt auf, genau so wie die Nachbarstochter nebenan und wie der Nachbarsjunge ein Stockwerk über mir und wie mein Freund im Nachbarhaus. Es war für uns normal, geschlagen zu werden. Erst das kennenlernen einer Familie, wo es keine Schläge gab, zeigte, dass es auch alternative Handlungsmöglichkeiten gibt. Dennoch waren für mich Schläge lange Zeit weiterhin normal, bis die Vergleichsgruppe der nicht geschlagenen Menschen in meinem Umfeld größer und größer wurde. Und es wurde klar ... Normalität wird definiert durch die kulturelle Gemeinschaft: Um genau zu sein, wird es definiert durch die (kulturelle) Gruppe in der ich mich bewege: Das was viele (alle) tun, ist für uns normal. Selbst wenn wir es vorher nicht getan haben. Wir essen irgendwann mit Messer und Gabel statt mit Fingern. Wir wischen uns den Hintern mit Papier. In anderen Kulturen (zB Indien) ist es normal, sich mit der (linken) Hand den Po zu wischen - ganz ohne Papier. Ich verkehre in einem Freundeskreis, wo wir uns zur Begrüßung umarmen (zumindest haben wir das getan, bis Corona kam ...). Bei meinen ArbeitskollegInnen tue ich das nicht. In Japan verneigt man sich zur Begrüßung voreinander. Die kulturellen Gruppen unterscheiden sich und wir verstehen es zunehmends unser Verhalten an diese Gruppen anzupassen, wenn wir uns von einer Gruppe zur anderen bewegen. Unser Normalitätsbegriff verändert sich mit diesem Wechsel zwischen den Gruppen. Normalität wird definiert durch die Zeit in der wir leben: Homosexualität war in der Antike normal. Im Mittelalter wurden Schwule verbrannt. 1977 fand sich Homosexualität noch im ICD9 als Krankheit. Gewalt ist in Österreich seit 1989 als Erziehungsmittel verboten. Jede Zeit hat ihre eigene Normalität. Normalität wird definiert durch Normen und Gesetze: Seit dem ICD10 ist es für uns auch schriftlich: Homosexualität ist keine Krankheit und wurde somit zur Normalität. Seit 1918 ist es normal, dass Frauen wählen. Du darfst nur eine Frau heiraten, siehe Ehegesetz § 8 Doppelehe: Niemand darf eine Ehe eingehen, bevor seine frühere Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist.“ Oder man darf doch mehr Frauen heiraten wie man dem Koran, Sure 4, Vers 3 entnimmt “(...) dann heiratet Frauen, die euch genehm dünken, zwei oder drei oder vier; (...)“. Die Normalität von Liebe, Intimität, Sexualität lässt sich nicht festlegen. Normen, besonders wenn sie in verschiedenen kulturellen Kreisen unterschiedlich sind, sind manchmal schwer für uns zu verstehen. Vieles, das wir "nicht normal" bezeichnen, ist für gewisse soziale Gruppen völlig normal. Ob es nun Christen, Moslems, Österreicher, Inder, Heteros, Schwule, polyamor lebende Menschen, BDSMer oder Tantriker sind. Schwule mussten jahrelang darum kämpfen, nicht mehr diskriminiert zu werden. Tantriker werden oft belächelt oder als sexhungrig hingestellt. Polyamor lebende Menschen hören oft genug "dir gehts ja nur um Sex". BDSMer sind krank, da sie ja nur schlagen bzw geschlagen werden wollen. Solche Vorurteile kommen meist von Menschen, die keine Ahnung von der Materie haben, die sich nicht mit diesen Gruppen auseinander setzen (wollen). Das ist auch ok. ACHTE darauf, mit welchen Menschen du dich umgibst! Akzeptieren sie DEINE Normalität? Eine Freundin, die mit 2 Männern zusammen lebt, hörte von ihrer Therapeutin: Nein, das geht nicht, da müssen sie sich schon für einen entscheiden ... Spätestens jetzt sollte dir klar sein: Du hast da draussen wahrlich genug an Möglichkeiten, dir Normalität vorschreiben zu lassen. Durch die Gesellschaft, durch Gesetze, Normen, Regeln usw. Doch eines ist ganz wesentlich: Normalität wird nur dann zu Normalität, wenn sie auch als Normalität gelebt wird! Finde Normalität für dich und deine Liebsten. Und LEBE sie. Auf DEINE Art.
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Ing. Werner Flasch, BA
Jahrgang 1966, in der Beratung tätig seit 2000. Archiv
März 2021
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